Problematische Ausschreibungsregel

Jul 23, 2019

Die Zahl der Neugründungen von Energiegenossenschaften ist mit insgesamt 40 in 2015 im Vergleich zum Vorjahr um weitere 25 Prozent zurückgegangen. Diesen deutlichen Rückgang auf bereits niedrigem Niveau zeigt die Jahresumfrage Energiegenossenschaften, die der DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband Anfang Juli gemeinsam mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin vorstellt.

„Die Boomjahre sind erst einmal vorbei. Vor allem die wirtschaftlichen Grenzen für neue Photovoltaikprojekte schränken die Aktivitäten der Energiegenossen-schaften deutlich ein. Mit der Einführung von Ausschreibungen wird nun eine weitere Hürde für die Bürgerenergie geschaffen“, sagt Dr. Eckhard Ott, Vor-standsvorsitzender des DGRV.

Die ersten vier Ausschreibungsrunden für Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen zeigen, dass die – auch politisch gewünschte – Akteursvielfalt nicht gewährleistet wird. Lediglich 0,22 Prozent der bezuschlagten Gebote (mit Blick auf die installierte Leistung) entfielen auf Energiegenossenschaften. Entsprechend kritisch wird nun die Einführung von Ausschreibungen für Windenergie durch das EEG 2016 gesehen – trotz der vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Bürgerenergieregel. Hiernach sollen Bürgerenergiegesellschaften in einer frühzeitigen Planungsphase in die Ausschreibung gehen können.

„Wir begrüßen sehr, dass die Bürgerenergie im Gesetzentwurf berücksichtigt wird. Das grundsätzlich höhere Risiko für kleine Akteure wie Bürgerenergiege-nossenschaften wird dadurch aber nicht vermieden, es wird sogar vergrößert“, so Ott weiter. Nach einem Zuschlag zum frühen Planungszeitpunkt kann das Projekt im weiteren Prozess bis zur Genehmigung aus unterschiedlichen Gründen scheitern. Dann würde die Bürgerenergiegesellschaft unverschuldet ihre Planungskosten verlieren und müsste zusätzlich noch eine Strafe (Pönale) zahlen. Das können bis zu 45.000 Euro pro Anlage sein. Deshalb schlägt der Verband vor, dass bezuschlagte Gebote von Bürgerenergiegesellschaften zu einem späteren Zeitpunkt ohne Strafzahlungen zurückgegeben werden können.

Positiv sieht der DGRV hingegen die Entwicklung bei den Nahwärmegenossenschaften: Hier sind 145 Genossenschaften gegründet worden, mehr als 50 allein in den vergangenen drei Jahren. Da 65 Prozent der Wärmegenossenschaften eine Biogasanlage als Hauptwärmequelle haben, ist perspektivisch eine Anschlussförderung für diese Anlagen erforderlich. Schließlich ist die Laufzeit des Wärmenetzes oftmals länger als die 20-jährige EEG-Vergütung für die Biogasanlage.

Einen starken Partner in Sachen Nahwärme haben die Energiegenossenschaften in den Kommunen. Das zeigt eine ergänzende Blitzumfrage der AEE unter den von ihr ausgezeichneten Energie-Kommunen. Gefragt nach ihrem Engagement innerhalb der vergangenen 12 Monate meldeten zwei von drei Vorreiterkommunen verstärkte Aktivitäten im Bereich Nahwärmenetze. „Gerade bei der Wärmeversorgung von Wohngebieten sind Energiegenossenschaften und Kommunen die idealen Partner“, erklärt AEE-Geschäftsführer Philipp Vohrer. „Häufig werden die Nahwärmenetze genossenschaftlich durch die Hausbesitzer selbst betrieben, während die Kommunen das Projekt planerisch und organisatorisch unterstützen.“

Die allgemeinen Rahmenbedingungen für den lokalen Ausbau Erneuerbarer Energien beurteilen die Energie-Kommunen jedoch durchwachsen. Während die Bedingungen im Wärmebereich im Durchschnitt noch als befriedigend wahrgenommen werden, fällt das Urteil für Strom- und Mobilitätsbereich mit einer Durchschnittsnote von 3,96 bzw. 4,14 deutlich kritischer aus. „Die Kommunen sind zusammen mit den Energiegenossenschaften die wichtigsten Garanten für die Akzeptanz der Energiewende bei der Bevölkerung. Gute Rahmenbedingungen für sie sind daher von besonderer Bedeutung für die Energiewende insgesamt“, so Vohrer.

Zur Methodik

Der DGRV befragte 812 Energiegenossenschaften, die zwischen 2006 und 2015 gegründet wurden (Rücklauf 273). Insgesamt haben Energiegenossen-schaften bereits rund 1,8 Mrd. Euro in Erneuerbare Energien investiert. Die Umfrage wurde bereits zum fünften Mal durchgeführt. Die Ergebnisse sind ab-rufbar unter www.genossenschaften.de/energie.

Die Blitzumfrage der AEE wandte sich an Vertreter von 100 Energie-Kommunen in Deutschland (Rücklauf: 30). Infografiken zur Umfrage sind unter https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/blitzumfrage-energie-kommunen-2016 abrufbar.

(Quelle: Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband)

(Foto: Cristine Lietz  / pixelio.de)